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Anlässlich des 370. Geburtstages Gottfried Wilhelm Leibnizens 01.07.2016 fragten wir uns: Warum heißt die Leibnizschule eigentlich Leibnizschule?

Zwar: „Name ist Schall und Rauch“, konstatiert Goethes Faust (in Vers 3457) – indess: man kann das auch anders sehen, und wenn Studien zeigen, dass Vornamen in der Wahrnehmung anderer konnotiert sein und assoziativ Vorurteile provozieren und so beeinflussen können, wie der Träger des Namens von anderen behandelt wird, kann man sich erinnert fühlen etwa an Hildegard Knefs Chanson „Natascha“ (1972), dessen Text, auf uns umgedichtet, etwa lauten könnte:
Wär’ [uns’re Schule ’ne] andre geworden, / Wenn sie [uns] nicht auf [Leibniz] getauft, / Und [wir] nicht hier [wär’n], sondern sonstwo [zu orten], / und wir [auch kein Gymnasium] wär[’n]? // […] // Denn die Trennung fällt uns schwer / Vom gewohnten Zubehör, / Vom vertrauten alten Ich, / Ob ich auch sag’, lass mich raus, / Ich möchte’ aus meiner Haut hinaus, / Du kommst nicht aus den Buchstaben raus. // […] // Fraglos wär’ vieles anders geworden / mit [von Humboldt, Schweitzer, Goethe, Kant], doch wer ist schon bereit / und entsagt der Haltbarkeit / selbst der Dinge, die [man kennt nicht allzuweit]? // Hat man sich erst einmal an sich selbst gewöhnt, / an Name, Farbe, Zubehör, / sogleich fällt es schwer, sich vorzustellen, wie es wär’, / wie’s dann wär’, wenn es anders wär’, / Drum [sind wir] und bleib[en] allemal [hell und wach / Leibniz-Schule Offenbach].

Also wollen wir uns wie Fausts Gespielin nicht mit solchen Pauschalaussagen wie der obigen abspeisen lassen, sondern stellen erneut die Gretchenfrage, die wir dabei nicht historisch meinen, sondern (wie Gretchen letztlich ja auch) inhaltlich fokussiert wissen wollen: Was prädestiniert eigentlich einen Menschen wie Leibniz dazu, dass man nach ihm eine Schule benennt? Welche Vorstellungen und Werte sind daran geknüpft?

Da wir befürchten mussten (und SchülerInnen aus Herrn Wagners Ethik-Kurs der Jahrgangsstufe 9 dies auch dokumentarfilmisch belegen konnten), dass viele unserer Schüler nur in Ansätzen eine Vorstellung davon haben, was den werten Herrn Leibniz als Namenspatron qualifiziert, organisierten auf Anregung der Schulleitung Herr Wagner und Herr Blume eine Informationsveranstaltung über Leibniz, bei der die SchülerInnen unserer Schule diesen näher kennenlernen können sollten.

Die Organisatoren Wagner & Blume bei Moderation und Betreuung der Vortragenden

Die Organisatoren Wagner & Blume bei Moderation und Betreuung der Vortragenden

Diese Veranstaltung sollte so viele SchülerInnen wie möglich erreichen und nach Möglichkeit auch einen breit gefächerten Blick auf Leibnizens vielfältiges Schaffen werfen. Ziel war dabei unter anderem auch, die SchülerInnen dabei zu unterstützen, ein Bewusstsein davon zu entwickeln, was es vielleicht bedeuten kann, speziell ein/e Leibnizschüler/in zu sein.

In drei Veranstaltungsblöcken (je eine Doppelstunde für je zwei Jahrgänge, zuerst für die Jahrgangsstufen 5 und 6, anschließend 7 und 8 und zuletzt 9 und EP) wurde den SchülerInnen Leibniz auf unterschiedliche Weise nähergebracht.

Eröffnet wurde jeder Veranstaltungsblock mit dem bereits erwähnten Film, in dessen Interviews verschiedene Fragen zu Leibnizens Person und Wirken gestellt wurden, Antworten aber offen blieben.

Erste Informationen, die bei der Beantwortung dieser und anderer Fragen zu Leibniz helfen konnten, lieferte im Anschluss Schulleiter Dombrowski. In seinem Vortrag, den er für jede Altersgruppe ein wenig anpasste, stand vor allem die Vielseitigkeit des Universalgeleherten Leibniz im Fokus. Im Eiltempo begleitete Dombrowski Leibniz auf seinem Lebensweg und hob exemplarisch wichtige Forschungen, Entdeckungen und Erfindungen hervor. Ein zweiter Schwerpunkt lag auf dem kommunikativen Aspekt, der Leibniz als Wissenschaftler auszeichnete: Er schrieb unzählige Briefe, die bis heute noch längst nicht alle gelesen sind, an Briefpartner in der ganzen Welt, um sich und sie über den jeweils aktuellsten Forschungsstand zu informieren und Thesen und Theorien dabei kritisch zu beleuchten. Erst durch die Kommunikation der Forschungsergebnisse können diese überhaupt nur Bedeutung gewinnen.

Schulleiter Dombrowski hält einen Einführungsvortrag über den Universalgelehrten Leibniz

Schulleiter Dombrowski hält einen Einführungsvortrag über den Universalgelehrten Leibniz

Forschung, Bildung, Neugier, kritisches Denken, Kommunikation – all das sind schon einmal Aspekte, die für unsere Schule eine Rolle spielen. Dank dieses einleitenden Vortrags konnte man durchaus bereits eine Vorstellung davon gewinnen, was Leibniz als Namenspatron einer Schule geeignet erscheinen lassen kann.

Gleichwohl sollte die Auseinandersetzung mit Leibniz an dieser Stelle nicht stehenbleiben. Vielmehr ging es jetzt daran, sich in sein Weltbild, seine Ethik, seine Philosophie zu vertiefen.
Hierzu hatten Achtklässler aus den Ethik-Kursen Herrn Wagners und Herrn Blumes kurze Präsentationen erarbeitet, in einzelne Aspekte der Leibnizschen Sicht auf die Welt genauer unter die Lupe nahmen. Dabei waren sie ganz bewusst um Anschaulichkeit der Darstellung bemüht, um die komplexen Inhalte für Schüler aller Jahrgangsstufen verständlich zu machen.

Ein paar Schlaglichter auf das Spektrum der Präsentationen…

Themen, die dabei behandelt wurden, waren unter anderem:

  • Auf welchen philosophischen Theorien baut Leibniz auf, wie positioniert er sich gegenüber anderen Philosophen?
  • Was versteht Leibniz eigentlich unter und was „will“ er mit den „Monaden“ (→„Monadologie“)?
  • Wie ist nach seiner Sicht die Welt beschaffen (→„prästabilierte Harmonie“)?
  • Ist die Welt an sich gut oder schlecht?
  • Welche Konsequenzen ergeben sich aus der Beschaffenheit der Welt für das Zusammenleben der Menschen (→„Unitas in multitudine“)?
  • Wie erklärt sich menschliche Religiosität und welche Konsequenzen und Fragen ergeben sich aus ihr (→„Theodizee“)?
  • In welchem Verhältnis stehen die Tiere zum Menschen?
Als Beispiel Ausschnitte aus einer Präsentation (u. a.) über die Monadenlehre mit von den Schülern selbst erstellter Animation zur Veranschaulichung des Umstands, dass laut Leibniz jede Monade den Plan der Welt enthält

Als Beispiel Ausschnitte aus einer Präsentation (u. a.) über die Monadenlehre mit von den Schülern selbst erstellter Animation zur Veranschaulichung des Umstands, dass laut Leibniz jede Monade den Plan der Welt enthält

Die Zusammenstellung der Präsentationen waren dabei auch auf jeden Veranstaltungsblock bzw. auf jeder Altersklasse abgestimmt.

Zwischen den Präsentationen wurde anstelle einer Moderation durch Poetry-Slam-Beiträge übergeleitet. Die Beiträge stammten von Lehrern, die unlängst an einer Poetry-Slam-Fortbildung mit Dalibor Markovic teilgenommen hatten. Anspruchsvolle, teils auch umfangreichere Beiträge lieferten Frau Simons, Herr Blume, Herr Schaefer und Herr Stottmeier im dritten Block für die etwas älteren Schüler, bei den Jüngeren leitete Herr Blume mit etwas leichter verständlichen Beiträgen von einer zur anderen Präsentation über.
Inhaltlich waren diese dichterischen Auseinandersetzungen mit Leibniz dabei durchaus auch an den Themenaspekten des Leibnizschen Œuvres, mit dem sich auch die Präsentationen der SchülerInnen befassten. Allerdings nahmen sich die Lehrer in ihren Beiträgen mehr als die Schüler Freiheit heraus, das Maß der Kritik ab bestimmten Elementen der Leibnizschen Philosophie noch über das auf Schülerseite erreichte hinaus zu steigern.

Poetry-Slam-Beiträge von Lehrern ersetzten eine Zwischenmoderation und sollten das theorielastige Programm etwas auflockern…

Herrn Stottmeiers Poetry-Slam-Beitrag warf ein ganz besonderes Licht auf ihn und Leibniz…

Sagten auch Leibnizens Ansichten zum Aufbau der Welt und zur Theodizee nicht jedermann zu, so blieben doch unterm Strich eine ganze Reihe von Vorstellungen und Haltungen übrig, die man in einer Schule wie der unsrigen durchaus hochhalten kann:

  • Breitgefächertes Interesse als Bildungsideal
  • Logisches Denken
  • Entwickeln eigener Standpunkte auf der Basis eigener Erfahrungen
  • Austausch mit anderen (auch zur kritischen Prüfung eigener Vorstellungen)
  • Weltoffenheit und Toleranz
  • Bemühen um ein harmonisches Miteinander
  • Ziel, gemeinsam daran/dafür zu arbeiten, dass die Welt besser wird

Den Abschluss der Veranstaltung bildete eine Binärzahlenlotterie. Nach einer kurzen Einführung in das Binärsystem waren die SchülerInnen gefordert zu erkennen, ob die binäre Nummer auf ihrem Loszettel der Zahl aus arabischen Ziffern, die aus der Lostrommel gezogen wurde, entsprach. Wer die richtige Nummer hatte und dies auch rechtzeitig erkannte, der konnte ein jugendgerechtes Philosophiebuch gewinnen.

Die Binärzahlenlotterie forderte selbst zum Ende jedes Veranstaltungsblocks noch einmal die grauen Zellen…

In der Folgewoche erhielten die Schüler dann noch über ihre Klassenlehrer ein Quiz, das nur durch Kooperation zu lösen war und durch das die SchülerInnen selbst überprüfen konnten, welche Inhalte aus der Informationsveranstaltung sie sozusagen für sich „mitgenommen“ und deshalb immer noch präsent hatten.

Leibniz schreibt dem Lehren und Lernen einen größeren Wert zu als militärisch-politischen Bestrebungen, wenn er schreibt: „Wer seine Schüler das ABC gelehrt, hat eine größere Tat vollbracht als der Feldherr, der eine Schlacht geschlagen.“ In diesem Sinne haben wir uns mit allen Mitwirkenden (präsentierende SchülerInnen, Dokumentarfilmer, Slammer und Herrn Dombrowski zusammen für die inhaltliche Gestaltung, Herrn Stottmeier und seiner Technik-AG für die technische Unterstützung), denen an dieser Stelle noch einmal besonderer Dank ausgesprochen sein möge, bemüht, unserer Schülerschaft jene Ideen und Begriffe näherzubringen, die es ihnen ermöglichen, sich nun selbst ein fundiertes und konkretes Bild von Leibniz zu machen.
Wir hoffen zuversichtlich (und hierzu scheinen uns zahlreiche Rückmeldungen von SchülerInnen und KollegInnen zu berechtigen), dass die Mitglieder unserer Schülerschaft dank dieser Veranstaltung nun, wenn sie erneut unvermittelt auf der Straße zu Leibniz interviewt würden, sagen könnten, was Gottfried Wilhelm Leibniz für ein Mensch war, was er geleistet hat, weshalb man Schulen nach ihm benennt und was wir (bei aller möglichen Kritik an bestimmten Aspekten seiner Philosophie) – auch heute noch – von ihm lernen können.

Es sollte klargeworden sein: es muss sich keiner scheuen oder schämen, ein Leibnizschüler zu sein – ganz im Gegenteil.

 

 

 

(Text & Bild: Blu)

 

 

Dialog unterschiedlichster Weltanschauungen im Rahmen des EP-Reli/Ethik-Projekts

Im Sinne nicht nur eines interkulturellen, auch nicht einmal nur eines interreligiösen Austausches, sondern einer Horizonterweiterung bezüglich des breiten Spektrums von Weltanschauungen haben auch in diesem Schuljahr wieder die SchülerInnen der EP religiöse Stätten besucht und in der Schule Gespräche mit verschiedenen Experten geführt.

Auch in diesem Jahr besuchten die Reli- und Ethik-Kurse eine Synagoge, einen buddhistischen Tempel, eine Kirche und eine Moschee (hier aufgeführt in historischer Chronologie). Vor Ort bereits hatten sie die Möglichkeit, mit Vertretern der jeweiligen Gemeinden und damit der jeweiligen Religionen zu sprechen, darüber, was für jene als Gläubige ihre Religion ausmacht.

Da aus organisatorischen Gründen leider nicht alle SchülerInnen alle Exkursionsorte aufsuchen konnten, tauschten sich die Gruppen anschließend im Unterricht über ihre Erfahrungen aus.

Der nächste Schritt waren dann in der Schule selbst durchgeführte Expertengespräche mit Möglichkeiten zur Diskussion. Hierbei gab es in diesem Jahr ein paar Neuerungen. Die Gespräche fanden nicht in Kleingruppen statt, sondern in großer Runde. Vor allem aber die Kombination der Gäste war neu:

Nicht zum ersten Mal stand uns Herr Dr. Thomas Regehly zu Verfügung, Vorstandsmitglied der Schopenhauer-Gesellschaft und damit befasst mit einem Philosophen, dessen Philosophie samt seiner Ethik sich zwar so recht in keine Schublade pressen lassen will, aber doch nicht im luftleeren Raum hängt, sondern zahlreiche Bezüge zum Buddhismus aufweist und trotz aller vordergründigen Misanthropie in letzter Konsequenz humanistische Züge trägt.

Zum ersten Mal eingeladen wurde ein sogenanntes „abrahamitisches Team“, das, im Auftrag des Interkulturellen Rats, sich aus je einem Vertreter der großen monotheistischen Religionen rekrutiert, die sich auf Abraham als ihren Stammvater beziehen und berufen. Eine Jüdin, ein Christ und ein Muslim, die es gewohnt sind zusammenzuarbeiten und darin mit gutem Beispiel vorangehen, betonten nicht nur die Unterschiede, sondern vor allem die Gemeinsamkeiten ihrer Religionen.

Skype-Konferenz mit Rüdiger Weida von der Kirche des fliegenden Spaghettimonsters

Ganz neu aber war der durch Frau Kehl hergestellte Kontakt zur „Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters“, deren Vorsitzender Rüdiger Weida per Sykpe in den Konferenzraum zugeschaltet war. Obgleich er sich mit Piratenkopftuch und -flagge und der „Bibel des Fliegenden Spaghettimonsters“ ganz typisch parodistisch als Vertreter einer Religion in Szene setzte und sein Auftritt den Schülern zunächst zum Schmunzeln, Kichern und Lachen animierte, wurde schnell klar, mit welcher Ernsthaftigkeit einem potentiellen Diktat von Religiosität hier ein atheistisches Weltbild entgegengesetzt wird. Der offensichtliche Spaß am Parodieren der Mechanismen, Regeln und Symbole von Religionen konnte und sollte dabei nicht darüber hinwegtäuschen, dass Weidas Ansichten aus einer fundierten Auseinandersetzung mit den Religionen resultiert. Stets beantwortete er die Fragen der Schüler auf mindestens zwei Ebenen – der spielerischen Ebene der „offiziellen“ Haltung der Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters einerseits und seiner sehr realitätsbewussten persönlich-eigenständigen naturwissenschaftlich-atheistischen Weltsicht andererseits.

Einzelgespräche interessierter SchülerInnen und LehrerInnen mit Rüdiger Weida

Als Fazit mag folgende Überlegung Weidas den Impetus dieses Unterrichtsprojekts auf den Punkt bringen, sagen, was man aus dem weltanschaulichen Diskurs lernen konnte:

Weida referierte, die Menschen hätten im Laufe ihrer Geschichte Tausende unterschiedliche Gottesvorstellungen entwickelt und Tausenden unterschiedlicher Gottheiten gehuldigt. Er wolle es jedem selbst überlassen, für sich zu entscheiden, woran man glauben wolle. Wenn einem aber eine Religion oder eine religiös geprägte Gesellschaft vorschreiben wolle, an welchen einen Gott man zu glauben habe, sei das nichts anderers als das, was er in der DDR, aus der er stammt, erlebt habe, als es nur eine „wählbare“ Partei (die SED) gegeben habe und man gezwungen worden sei, daran zu glauben, dass allein diese Partei die alleinseligmachende sei.

Vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen warb Weida für Toleranz gegenüber anderen, von der eigenen unterschiedenen Weltanschauungen, etwa im Sinne des berühmten 1740 von Friedrich dem Großen geprägten Diktums, es möge „ein jeder nach seiner Fasson selig werden“.

 

 

 

(Texte und Bilder: Blu)